Über uns
Das Jahr 2018 wird in die Berliner Tanzgeschichte eingehen. Denn zum ersten Mal saßen mehr als 200 Vertreter*innen aus Kulturpolitik und Verwaltung mit der Berliner Tanzszene an einem Tisch, am Runden Tisch Tanz (RTT). Gefördert mit 100.000 Euro wurde über Monate in Arbeitsgruppen und Sitzungen über die Situation des Tanzes diskutiert, wurden Perspektiven entwickelt und abgestimmt. Das Ergebnis: Ein Entwicklungsplan Tanz 2019–2025, veröffentlicht 2019 in einem 78 Seiten starken Abschlussbericht.
In der AG Forschung & Vermittlung ging es in den vielen Gesprächen um die Geschichte des Tanzes in Berlin, die bis heute in Köpfen, Wohnungen, Büros lagert, verteilt über die ganze Stadt (und darüber hinaus). Es gibt kein Archiv, das diese Geschichte, die vielen Geschichten der Tanzschaffenden im zerstörten, im geteilten, im vereinten Berlin gesammelt, bearbeitet und erforscht hat. Alle waren sich einig, dass es allerhöchste Zeit sei, das zu ändern, denn die Zeitzeug*innen, die aus den frühen Jahren berichten können, werden weniger. Die privaten Archive sind jederzeit der Vernichtung ausgesetzt. Bestände in öffentlich geförderten Spielstätten sind oft nur irgendwo abgestellt. In den Einrichtungen der Freien Szene sind Mittel zur Archivierung begrenzt oder gar nicht vorhanden. Gar nicht zu reden von der Digitalisierung vorhandener Bestände und der Vernetzung aller Wissensquellen.
2020 wurde die Steuerungsgruppe TanzArchiv Berlin vom Berliner Kultursenat mit dem Auftrag berufen, von 2020–2025 ein Konzept für ein solches Archiv zu entwickeln. Claudia Feest, Claudia Henne, Alex Hennig, Christine Henniger und Doris Kolde, fünf Frauen aus unterschiedlichen Generationen, mit unterschiedlichen Berufserfahrungen, machten sich an die Arbeit. Eine Umfrage stand am Anfang: Ein Tanzarchiv, brauchen wir das? Ja, war die überwältigende Meinung – und der Bedarf wurde sehr deutlich und umfänglich benannt. Wie sollte das aussehen? Auf jeden Fall anders als die bekannten Archive. Ein Berliner Tanzarchiv sollte sich neben der Archivierung von physischem Material auch dem verkörperten Bewegungswissen und der besonderen Prozess-und Ereignishaftigkeit von Tanz zuwenden. Es sollte ein Ort der Information, der Kommunikation, des Austauschs, der wissenschaftlichen und künstlerischen Forschung sein – offen für alle, die mit und für den Tanz arbeiten oder ihn einfach lieben und mehr wissen wollen.
Zentrales Anliegen dabei ist der Gedanke der Selbstermächtigung: Künstler*innen, Tanzwissenschaftler*innen, Tanzkritiker*innen sollen ihr Erbe selbst (mit)bestimmen und dafür die nötigen Ressourcen nutzen können. Gleichzeitig muss das Archiv ein offener Ort sein, an dem alle willkommen sind, Inhalte abrufen und aktiv mitwirken können.
Daran arbeiten wir mit der Steuerungsgruppe Haus für Tanz und Choreografie und mit der Steuerungsgruppe Tanzvermittlung, mittlerweile Access Point Tanz zusammen, ebenso wie mit diversen Tanzschaffenden, Expert*innen, Zeitzeug*innen, Wissenschaftler*innen, Vermittler*innen, Institutionen, bestehenden Archiven, Spielstätten und nicht zuletzt mit den zuständigen Mitarbeiter*innen der Berliner Senatsverwaltung für Kultur. Mit anderen Worten, wir tun viel, um unser Ziel zu erreichen: das TanzArchiv Berlin.
Aus den vielen Gesprächen ergab sich fast zwangsläufig die Notwendigkeit eines analogen Ortes, an dem gesammelt, geforscht, mit Archivmaterial künstlerisch weitergearbeitet und diskutiert werden kann: ein Haus für Tanz und Choreografie, dessen Verwirklichung heute – 2025 – dringender denn je benötigt, aber leider mehr als ungewiss ist.
Ende 2021 musste Doris Kolde und im Frühjahr 2022 Alex Hennig, die mit ihrem Engagement und ihren Impulsen maßgeblich zur Entwicklung beigetragen haben, die Steuerungsgruppe verlassen. Ab 2022 kamen Agnes Kern (Projektleitung) und Johanna Withelm (Redaktion & Kommunikation) hinzu. 2024 übernahm Jette Büchsenschütz die redaktionellen Aufgaben, während Sven Neumann die Projektleitung übernahm.
Doch die drastischen Kürzungen im Kulturbereich treffen auch die Steuerungsgruppe TanzArchiv Berlin. Die Zukunft eines Berliner Tanzarchivs ist ungewisser denn je.
Berlin braucht eine Institution, die die Geschichte des Tanzes bewahrt und zugänglich macht – eine Geschichte, die in dieser Stadt besonders politisch aufgeladen ist. Sie erzählt von der Zeit des Nationalsozialismus, den Spannungen des Kalten Krieges, der Trennung zwischen Ost und West, und Wiedervereinigung und der Entwicklung des Tanzes in Berlin danach.
Was es jetzt braucht, ist ein lebendiges, zukunftsfähiges Archiv über und für den Tanz in Berlin. Denn Tanzgeschichte wurde und wird gemacht!

Beteiligte Personen
- Steuerungsgruppe TanzArchiv Berlin: Claudia Feest, Claudia Henne, Christine Henniger
- Projektleitung Website: Agnes Kern (bis 2024), Sven Neumann (seit 2024)
- Redaktion und Kommunikation Website: Johanna Withelm (bis 2024), Jette Büchsenschütz (seit 2024)
- barrierefreies Web-Design: Oliver Vaupel – ovau design studio
- Social Media: Aïsha Mia Lethen Bird (bis 2024), Jette Büchsenschütz
- Übersetzung DE>EN: Beatrix Joyce