Was bleibt, was kommt? Überlegungen zu einem Archiv für den zeitgenössischen Tanz

Christopher Drum

In einem doppelten Sinne zeigt sich uns das Archiv für den zeitgenössischen Tanz als ein Archiv ohne Objekt:

  1. Nur bruchstückhaft lässt sich der Tanz als Kunstform archivieren. Was mittels des Archivs eigentlich über die Zeit hinaus transportiert werden sollte, bleibt in der Gegenwart verhaftet und verschwindet mir ihr. Spurlos? Mitnichten. Aber die wenigen Spuren, die der Tanz in anderen Darstellungsformen – Beschreibung, Bild, Film – hinterlässt, bieten rückblickend nicht mehr als ein kleines Fenster auf das, was der Tanz einmal war.
  2. Die technischen Errungenschaften am Ende des 20. Jahrhunderts haben diese anderen Darstellungsformen‘ wiederum ins Unendliche vervielfältigt. Mit dem Digitalen haben sie sich von ihrer Objekthaftigkeit entfernt – Körperlichkeit spielt ebenso wenig eine Rolle wie Einzigartigkeit. Hier aber bietet sich eine neue Möglichkeit des Archivs: Neben der Einrichtung des Dokumentierens, der Erhaltung eröffnet sich ein utopischer Raum des Beweglichen. Bereits jetzt treten aus anderen Archiven die Objekte an die Oberfläche wie Blasen im Wasser. Sicher, sie müssen nach wie vor gefunden werden, der Katalog, die Datenbank sind unabdingbar, aber sie haben ihren Ort verlassen und finden über das Digitale den Weg zu uns. Das Archiv als Werkstatt bietet dem Tanz eine neue Möglichkeit der Auseinandersetzung mit sich selbst. Den Spuren des Tanzes zu folgen, hieße, in der freien Bearbeitung seiner Spuren, in ihrer wiederholten Neuordnung sich selbst auf Dauer eine neue Form zu geben.